Über Bibliotheken der Zukunft und 50 Jahre Stadtbücherei Baunatal: Katja Freitag und Jutta Kraut, die Leiterinnen der Bücherei, im BN–Interview.
Jutta Kraut: Mir kommt da als Erstes die Eröffnung des Neubaus der Bücherei 2014 in den Sinn. Damit hat sich alles verändert: Die Räumlichkeiten wurden modernisiert und erweitert, eine weitere Etage kam dazu. Nun haben wir circa 1.000 Quadratmeter Fläche, vorher waren es etwa 260. Arbeitsplätze für die Leserinnen und Leser sowie Büros für uns gab es damals nicht.
Katja Freitag: Durch den Umbau hat sich das Wesen unserer Stadtbücherei spürbar verändert: Sie ist heute mehr ein Ort für Veranstaltungen, Bildung und sozialen Austausch. Lesungen und Events wie die kommende Jubiläumswoche wären früher in der Form undenkbar gewesen. Nun liegt auch dies jedoch schon über zehn Jahre zurück, und es stellt sich die Frage, wie die Zukunft der Bücherei aussehen und gestaltet werden kann – auch im Hinblick auf klamme Stadtkassen.
Katja Freitag: Das war ein schleichender Prozess: Zunächst Lesungen am Abend, dann kamen Klassenführungen auf Anfragen dazu. Erst mit dem neuen Gebäude nahmen die Möglichkeiten und damit die Art und Anzahl der Events deutlich spürbar zu.
Jutta Kraut: Im Zuge dessen haben wir 2016 den Hessischen Leseförderpreis gewonnen und sind dann 2022 sogar mit dem Hessischen Bibliothekspreis ausgezeichnet worden – weitere Meilensteine, die uns viel bedeuten und von der guten Bibliotheks- und Bildungsarbeit in Baunatal zeugen.
Katja Freitag: Der Förderpreis war für eine Zusammenarbeit mit unseren Schulen: Im Zuge des 50-jährigen Stadtjubiläums fanden 50 Projekte statt. Wir haben im Rahmen eines dieser Projekte gemeinsam ein Kinder-Sachbuch über die Stadt Baunatal geschrieben.
Katja Freitag: Zum einen stellen die KIs nicht immer verlässliche Informationsquellen dar, das traue ich Blinkist schon eher zu. Deswegen sind wir auch in Gesprächen über eine mögliche Zusammenarbeit. Zum anderen sind Sachbücher immer weniger gefragt, werden ersetzt etwa durch YouTube-Tutorials.
Zudem bieten wir einen Online-Zugang zum Brockhaus an – eine Plattform redaktionell betreuter Informationen, schnell und überall verfügbar. Außerdem können unsere Leserinnen und Leser den Duden Basiswissen Schule und das gesamte Angebot des OnleiheVerbundHessen online nutzen.
Jutta Kraut: Wenn ich meine Waschmaschine reparieren oder ein bestimmtes Rezept suchen will, nutze ich eher Videos oder Apps, das ist schneller und effizienter. Aber wenn es mir eher um Unterhaltung als Information geht, ich mich in eine Welt regelrecht reinziehen lassen will, dann greife ich zu einem Buch, etwa einem Roman. Lesen zum Spaß bedeutet Eintauchen in Geschichten, Fantasie entwickeln. Ebenso wie Kindern etwas vorzulesen – all das macht Lesen aus.
Katja Freitag: Nichts kann das Leseerlebnis von Büchern ersetzen, höchstens ergänzen. Dazu gehört auch das haptische Erlebnis. Mir hat mal jemand gesagt: „Aus meinem E-Book rieselt kein Sand nach dem Urlaub.“
Jutta Kraut: Eine große, hoffe ich. Wir sind gut verankert und haben eine Umlandfunktion, da es in den meisten umliegenden Kommunen keine Bibliotheken mehr gibt. Wir haben viele Leser aus der Region, die unser Angebot schätzen und nutzen. Außerdem spielen wir eine wesentliche soziale Rolle: Bücher, Spiele und Tonies sind in der Anschaffung teuer. Bei uns bekommt man preisgünstig ein breites Angebot qualitativer Unterhaltung.
Katja Freitag: Wir Bibliotheken gewährleisten Artikel 5 des Grundgesetzes: das Recht auf freien Zugang zu Informationen. Dafür stehen wir, auch mit kostenlosen Internetzugängen für alle Menschen. Damit ist digitale Teilhabe möglich, ein wichtiger Baustein der Demokratie. Wir versuchen außerdem, das Meinungsspektrum abzubilden. Wir stellen bewusst nicht nur Medien zur Verfügung, die wir persönlich gut finden, sondern versuchen, die gesamte Bandbreite demokratischer Meinungen abzubilden.
Jutta Kraut: Uns liegt viel daran, einen Ort zu bieten, an dem man sich austauschen kann. Wo Leute sich treffen und auch mal kontrovers diskutieren können. Das wollen wir auch mit dem Veranstaltungsprogramm der Jubiläumswoche widerspiegeln: Themen wie Faktencheck und Fakenews müssen in die Gesellschaft getragen werden.
Katja Freitag: Themen, die wir mit jedem Kind der 8. Klassen der Baunataler Schulen in zweieinhalbstündigen Workshops erarbeiten: Wie unterscheide ich Informationen von Desinformationen? Wie erkenne ich Fakes und wie gehe ich mit ihnen um? Auch das ist ein wesentlicher Baustein von Demokratiebildung.
Katja Freitag: Beides ist wichtig und hat seine Daseinsberechtigung. Wir versuchen, das gesamte Spektrum abzudecken. Deswegen bieten wir etwa auch E-Reader wie den Tolino an, damit Leser vor einem möglichen Kauf diesen ausprobieren und damit üben können.
Jutta Kraut: Ob Bücher, E-Books oder Hörbücher: Wir erleben vermehrt, wie Leser zunehmend erfolgreich mit verschiedenen Medien jonglieren. Oft geht es dabei auch darum, wo und wann ein Inhalt schneller verfügbar ist.
Katja Freitag: Ich hoffe, sie ist dann ein Treffpunkt.
Jutta Kraut: Ich hoffe, es gibt dann dort noch viele Bücher.
Katja Freitag: Das war jetzt typisch (lacht). Ich hoffe, wir werden als Informationsspezialisten angesehen und Menschen wenden sich an uns, um zu erfahren, wie sie wann an welche Infos kommen. Und ich denke, wir werden weiterhin sehr aktiv in der Leseförderung sein, einfach weil der Bedarf da ist.
Jutta Kraut: Ob in Karriere, Bildung oder Unterhaltung: Lesen ist eine Kernkompetenz – und so wird es auch in der Zukunft sein. Außerdem wird die Bücherei weiterhin ein Ort der Teilhabe und Kommunikation sein.
Katja Freitag: Im Sinne der Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung wird bestimmt auch anderes zum Sortiment hinzukommen, wir bieten bereits jetzt Outdoor-Spiele zur Ausleihe an. Vielleicht wird’s mal eine richtig große Bibliothek der Dinge.
Katja Freitag: „Und jetzt? Survival Guide fürs Leben nach der Schule“, „Drachenläufer“ und „Der kleine Prinz“.
Jutta Kraut: „Harry Potter und der Stein der Weisen“, „Fahrenheit 451“ sowie die Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm.
Informationen zu den Veranstaltungen in der Jubiläumswoche finden Sie unter: